GLEICH GEHT'S LOS

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Wer will mich?

Wer will mich?

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Das auf dem Foto bin ich bei der Arbeit. Meine Tochter Lilly machte die Aufnahme, als sie neulich ihre Mutter heimlich auf ihrem Bestsellerplatz beobachtete. Ich finde, ich sehe sehr glücklich aus, oder? Lächle ich nicht sogar ein wenig? Das Verstörende daran ist allerdings, dass ich in Wahrheit in einer blöden Krise stecke. Denn ich habe einen geliebten Kunden verloren, für den ich viele Jahre lang die allerbesten Interviews führte. Schlimm ist nicht nur meine Angst, nun bald zu verhungern. Der Abschied fühlte sich so an, als würde ein Liebhaber aus heiterem Himmel mit mir Schluss machen. Meine Selbstsicherheit war schlagartig ramponiert. Ich schlief schlecht, träumte schlecht, hatte schlechte Laune und vor allem: Ich verlor meine Sprache. In meinem Kopf: geistige Windstille. Wenn mich jemand nach meinem Traum von einer eigenen Kolumne fragte, jetzt, wo mein Kalender eine Lücke hätte, hob ich nur resigniert die Schultern. Was, wenn ich nicht gut genug bin? Wenn mich niemand will? Wenn ich zu langweilig, zu kompliziert, zu dies, zu das bin? Wenn, wenn, wenn… Tagelang saß ich vor meinem weißen Bildschirm und guckte, saß da und guckte. Zwischendurch lief ich zum Kühlschrank, kochte Kaffee und unterhielt mich verbittert mit der italienischen Diva, die über meinem Sofa hängt und immer ein wenig herablassend auf mich blickt, als wolle sie mir sagen: „Das wird sowieso nichts, Schätzchen!“ Und ich? Glaubte ihr aufs Wort. Meine Freundin Michi hatte einen ermutigenderen Vorschlag parat: „Mit der richtigen Atmung kannst du jede Blockade lösen.“ Von da an konnte ich nicht mehr ruhig schlafen. Ich atmete beim Aufwachen, unter der Dusche, ich atmete beim Bügeln, an der roten Ampel und sogar im Schlaf. Nach drei Tagen grübelte ich, was mich eigentlich so bekümmerte. Nach fünf Tagen hatte ich es restlos vergessen. Was war nochmal das Problem? Mir fiel partout kein Grund ein, der mich davon abhalten sollte, einfach mal eine Textprobe zu verfassen. Noch am selben Tag fing ich an zu schreiben. Ich schrieb und schrieb und schrieb. Ich schrieb, ohne Luft zu holen, als hinge mein Leben davon ab. Et voila, hier bin ich wieder. Jemand da, der mich will? Jemand da, den ich will?

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