GLEICH GEHT'S LOS

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High vor Glück

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Ganz gegen meine Natur stand ich am ersten Ferientag um 3 Uhr morgens auf, weil ich Fuchs den cleveren Plan hatte, ohne Stau in 7 Stunden in der Toskana anzukommen. Was soll ich sagen? Nach 7 Stunden hatten wir noch nicht einmal den Gardasee erreicht. Das Einzige, was mich aufheiterte, war kulinarischer Trost in Form von Espresso. Hinter Affi atmete ich auf, hinter Bologna rief ich „Ist das Leben nicht herrlich?“, und als wir auf die Schnellstraße Richtung Pisa und Livorno abbogen, war ich verloren. Alles war bellissima, das Licht, die Zypressen am Wegesrand, 37 Grad, vier sehr lustige Teenager. Molto bello! Aber dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: Als wir endlich ankamen, fühlte ich nicht, was ich sonst immer fühle: Heimat. Vielleicht lag es daran, dass alles anders war, wir nach 17 Jahren ins kleine Häuschen über der Ölmühle umgezogen waren. Ich stieg die schmale Treppe hinauf, es duftete nach blühendem Yasmin, nur in mir drinnen war es, als habe mich was verlassen. Ich rief meinen italienischen Schwaben in Starnberg an und heulte ihm vor, wie schlimm alles sei. Ich müsse erstmal klarkommen mit der neuen Bleibe, lernen, die alte loszulassen (loslassen! loslassen! loslassen!), mein Gleichgewicht finden. Vielleicht habe ich eine mediterrane Depression? Präventiv sorgte ich für Zerstreuung, fuhr mit den Teenagern ans Meer, saß auf den Klippen von Livorno, bestellte Camparisoda mit sehr viel Eis, bestellte Espresso mit sehr viel Zucker, bestellte Spaghetti mit sehr viel Parmesan, fuhr nach Forte dei Marmi, legte mich in den Sand und wartete. Darauf, dass sich in mir innere Weichheit ausbreitete. Am nächsten Tag zuckelten wir wieder an die Klippen unter der livornesischen Küstenstraße. Ich setzte mich verspannt auf einen Stein inmitten einer Gruppe italienischer Jugendlicher. Man drehte die Musik auf, die Wellen tobten, es roch nach Sommer, Salz und, nunja, Gras. Ich wollte schon ein paar strenge Mutterblicke zu ihnen rüberwerfen, hielt mich aber in letzter Sekunde zurück. Vielleicht lag es an der Hitze, vielleicht an den Nebelschwaden, die durch die Luft waberten, aber endlich, einfach so, entspannte ich mich und war auf einmal high vor Glück.

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