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Der Look einer Stadt

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Der Mantel, den ich neulich aus dem Schrank zog, ist fast zehn Jahre älter als Coco. Ich kaufte ihn im Herbst 1997, als ich zum ersten Mal nach Hamburg zog, etwas verloren auf dem Neuen Wall stand und alles um mich herum schrie: Wohlstand. Die Männer trugen Poppertollen und vanillegelbe V-Ausschnittpullover, die Frauen wirkten kapriziös, kühl schnörkellos und so knackgesund wie ein Apfel, in den man reinbeißen möchte. Ich kam mir ärmlich vor in meinem Blümchenkleid und wollte auf der Stelle auch so aussehen wie Jil Sander. Vielleicht wollte ich auch nur dazugehören. Mein erstes Honorar plus mein Erspartes, von dem ich mir eigentlich eine Waschmaschine kaufen wollte, investierte ich in diesen Mantel. Scharfsinnig wie ich nunmal bin, erkannte ich, dass für Hamburg erstmal etwas anderes hermusste als eine Erstausstattung für die Waschküche: Stil. Ich machte eine zeitlang mit, trug wie alle Eppendorferinnen Budapester, die selbst im Schnee stets sauber waren, dazu gut frisierte Haare und ein Lächeln auf den dezent geschminkten Lippen. Nicht falsch verstehen: Hamburger sind modisch nicht so eindimensional wie ihr Ruf. Ich kenne eine Menge Leute, die man eher in die Ecke Downtown L.A. stecken könnte als Upper Harvestehude. Dennoch gefällt mir die Vorstellung, dass jede Stadt ihrer ganz persönlichen Kleiderordnung folgt. Auch heute, längst Starnbergerin, frage ich mich: Gehört Mode dazu, um als Zugezogener mit den Jahren ein echtes Seekind zu werden? Kann man sich stilistisch zu einem Einheimischen entwickeln, und wenn ja, was braucht es dazu außer einer Radlerhose, die ich gestern rebellisch zu meinem hanseatischen Wickelmantel kombinierte, um mich mit den Töchtern in der Boston Bar zu treffen? Wenn ich die Antwort kenne, melde ich mich.

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